Unser Lhasa vor der Zerstörung!
Rettet Lhasa!
Schon bald wird unser Lhasa zerstört sein!
Das ist keine Panikmache!
Ein Tourist schrieb nach seiner Reise nach Lhasa auf dem
chinesischen Mikroblog Sina Weibo: „Es ist mir heute klar geworden, dass Lhasa zu
einer protzigen und jämmerlichen Touristenstadt - so wie Lijiang in der Provinz Yunnan[1]
- werden soll. Alle Straßenhändler, Gasthäuser…
einfache Dienstleistungen werden aus der Altstadt herausgedrängt und durch
hochwertige Kunsthandwerksläden und Hotels ersetzt. Und alle Häuser in den
alten Straßen müssen ein einheitliches Aussehen und einheitliche
Aushängeschilder haben. Funktioniert denn die Restaurierung chinesischer Städte
nur noch nach dem Rezept einer beschissenen Koreanischen Schönheitsoperation[2]?“
Auf den Fotos, die der Blogger gepostet hat, fand ich ein
„Baustellenschild“ (siehe Bild unten) des gerade im Bau befindlichen ‚Barkhor
Einkaufszentrums‘ (Es
befindet sich an der Stelle des ehemaligen Regierungsgebäudes des Chengguan Distrikts,
nordöstlich von dem den Jokhang Tempel umrundenden Gebetsweges von Barkhor.
Beide liegen nicht weit voneinander entfernt in der Altstadt Lhasas ), das eine Fläche von 150.000 Quadratmetern und allein 1.117
Tiefgaragenplätze ausweist. Und bei dem monströsen Shenli-Timessquare in der
nördlichen Ecke der Altstadt, der im Rahmen einer Kooperation von
Geschäftsleuten und Politik erbaut und Ende letzten Jahres eröffnet wurde, musste wegen der Tiefgarage
über zwei Jahre Tag und Nacht Grundwasser abgepumpt werden. Das hat zu Rissen
in der Altstadt Lhasas, zu Absack- und sogar zu Einsturzgefahr geführt
(tatsächlich haben sich schon an vielen Stellen Risse aufgetan, und der
Grundwasserspiegel ist drastisch abgesunken). Und nun will die Stadtregierung
in der Altstadt ein weiteres großes Einkaufszentrum mit Tiefgaragenplätzen
bauen…Heißt das jetzt, dass Lhasa von gefräßigen Monstern endgültig zerstört
wird?
Ich erinnere mich, dass im Jahre 1994 die UNESCO den
Potala-Palast in die Liste des Welterbes aufgenommen, hat. In den Jahren 2000 und 2001 folgten der Jokhang-Tempel
und der Norbulingka (Sommerpalast des
Dalai Lama), die zusammen mit dem Potala ein historisches Ensemble bilden.
Damit sind die heiligen Stätten Lhasas mit ihrer religiösen, historischen und
kulturellen Bedeutung Teil des Weltkulturerbes und können den ihnen zustehenden
Schutz beanspruchen.
Ich erinnere mich auch, dass im Jahre 2007 das
Welterbekomitee wegen des Potalas die ‚gelbe Karte‘ gezogen hat. Es wurden die
übermäßige touristische Nutzung und eine verantwortungslose, gegebenen
Versprechen zuwiderlaufende Erschließung bemängelt, so dass Lhasa der
Welterbestatus entzogen werden könnte.
Nicht nur, dass der Potala heute weiter touristisch
übernutzt ist und unter den Schritten von jährlich mehr als einer Million
Touristen (Tendenz steigend) erbebt, sogar die Altstadt Lhasas ändert unter dem
Eindruck der touristischen Erschließung ihr Antlitz . Nicht nur, dass sie bis zu
den Gedärmen aufgerissen wird. Ihr wird auch noch regelrecht der Boden unter
den Füßen weggezogen. So kommentiert dies der tibetische Künstler Kuang Laowu:
„Angesichts der Verlockungen des Mammons und der Macht geht die kulturelle
Einzigartigkeit verloren, die Städte werden austauschbar. Hinter der scheinbar florierenden
Fassade ist das Wesen Lhasas schon längst ausgehöhlt, das alte Lhasa ist längst
vergangen und vorbei. Man sucht vergebens alte, schlichte Dinge, an denen die
Spuren der Zeit haften.“
Ich denke auch an den Deutschen André Alexander und seinen
Tibet Heritage Fund, den Mann, der sich
vor vielen Jahren der Restaurierung des alten Lhasas verschrieben hat. Zwischen
1996 und 2002 hat er in Lhasa und Umgebung 76 traditionelle, historisch
wertvolle Bauten gerettet. In aller Offenheit sagte er: „Seit Beginn der 1980er
Jahre haben die städtebaulichen Maßnahmen an den historischen Gebäuden und in
den Straßenzügen der Altstadtviertel unablässig Zerstörungen angerichtet. Seit
1993 wurden im Durchschnitt jährlich 35 historisch wertvolle Gebäude
abgerissen. Wenn das in diesem Tempo weitergeht, werden die verbliebenen alten Gebäude
innerhalb von vier Jahren verschwunden sein.“ Alexander und seine Leute haben
hervorragende Leistungen bei der Restaurierung Lhasas erbracht. Weil sie Zeugen
der Zerstörung wurden, wurden sie von der raffgierigen tibetischen Regierung
aus Lhasa ausgewiesen.
Tief getroffen schrieb Herr Alexander: „Jedes Mal wenn
ich dort bin, sind es deutlich weniger alte Häuser – Stein um Stein, Straßenzug
um Straßenzug und sogar die Hunde verschwinden…“ Und nun tritt an deren Stelle
ein neues, krämerhaftes Lhasa der Mächtigen und Reichen. Und in genauso scharfem
Ton ein Internet-User: „Sie reißen die alten Bauten ab, graben Tunnel,
errichten Fußgänger-Brücken, stauen den Kyi-Chu (Lhasa-Fluss) und pumpen das Grundwasser
ab…das sind wirklich Wiedergeburten gefräßiger Monster. Was nicht niet- und
nagelfest ist, schaffen sie weg. Den Rest zerstören sie!“
Vor vierzig Jahren formulierte die UNESCO in der Konvention zum Schutz des Weltkultur und -Naturerbes:
Einzigartiges kulturelles Erbe oder Naturerbe hat – wo auch immer auf der Welt –
eine herausragende Bedeutung. Es ist für die Menschheit unersetzlich, wichtig
und wertvoll. Die Beeinträchtigung eines kulturellen oder Naturerbes kann das
Welterbe gefährden und muss daher unter den gemeinsamen Schutz der gesamten
Menschheit gestellt werden.
Hiermit appelliere ich an die UNESCO und entsprechende internationale
Organisationen: Stoppen Sie die furchtbare ‚Modernisierung‘ der alten Stadtlandschaft
Lhasa, seiner Kultur und Ökologie. Stoppt dieses unverzeihliche und maßlose
Verbrechen!
Hiermit appelliere ich an die zahlreichen
Experten und Organisationen, die sich mit Tibetologie oder Tibet befassen: Verschließt
bitte nicht die Augen vor dem fatalen Schlag, der der Altstadt Lhasas gegenwärtig
bevorsteht!
In der Hoffnung, dass Sie alle für die Rettung der
Altstadt Lhasas zur Tat schreiten!
Schon bald wird unser Lhasa zerstört sein!
Rettet Lhasa!
4. Mai 2013
Übersetzt aus dem Chinesischen von Roman Wollscheid
Im Internet schrieb jemand: „Gegenüber
dem Dongcuo-Hotel wurde ein großer Häuserblock abgerissen, um das Barkhor-Einkaufszentrum
zu errichten. Angeblich sollen die früher in der Barkhor Straße ansässigen tibetischen
Schmuckläden später einmal hier zentral angesiedelt werden. Politik und
Kapital machen alles platt.“
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Kürzlich fiel der Lhasa-Fluss trocken,
weil er aufgestaut wurde. In der Altstadt Lhasas ist der ‚Shenli Timessquare‘
gebaut worden, ein riesiges Einkaufszentrum in Kooperation zwischen Geschäftsleuten
und Politik. Es versetzt die Bewohner Lhasas in äußerste Unruhe, dass
deswegen Tag und Nacht das Grundwasser abgepumpt wird. Ich fragte André
Alexander, ehemals Restaurator in Lhasa, ob dies zu Schädigungen führen
könne. Tief getroffen antwortete er: „Wasser ist in Lhasa ein großes Problem,
weil überall neue Wasserkraftwerke gebaut werden. Die Umwelt in Lhasa selbst
ist schon stark geschädigt und verschmutzt. Gierige Immobilienentwickler
haben mit Unterstützung gieriger Beamter aus dem Lhasa-Tal so etwas wie eine
große Fabrik gemacht. Wenn die Lhalu Wetlands trockengelegt werden, ist alles
zu spät.“
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Als der Lhasa-Fluss aufgestaut wurde und
trocken fiel, retteten viele Tibeter spontan die Fische aus den verbleibenden
Pfützen. Was für eine traurige Szene voller Symbolik!
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Auch in der Hospitalstraße in Lhasas
Altstadt wird gebuddelt. Während der Kampagne ‚Zerschlagt die vier Alten‘
(nämlich die alten Denkweisen, alte Kulturen, alte Gewohnheiten und alte
Sitten; A.d.Ü.) zu Zeiten der Kulturrevolution wurden in dieser Straße
unzählige Buddhastatuen nach der Plünderung von Klöstern vergraben. So
sollten auch symbolisch die ‚Vier Alten’ mit Füßen getreten werden. Ob man
diese Buddhastatuen wieder ausgräbt, wenn man heute die Straßen wieder
aufreißt, weiß ich allerdings nicht.
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[1] Die an der Grenze zu
Tibet liegende Stadt Lijiang hat eine pittoreske Altstadt und zieht jährlich
Millionen von Touristen an. Sie gilt als Rothenburg ob der Tauber Chinas.
[2] Stilbildende Kosmetik in
Asien, die ein makelloses Gesicht verspricht, ohne dass zu sehen ist, dass
Make-up verwendet wurde.
Auferstanden aus Ruinen
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